Es sind die Sujets von Landschaft, Bildnis und Stillleben, welche sich Rudi Tröger seit Beginn der Sechzigerjahre zur Aufgabe gemacht hat, klassische Themen, die seine Arbeit bis heute bestimmen. Die bildnerische Verfahrensweise aber, die Komplexität der Genese eines jeden Werks, welche den in der Regel langwierigen schöpferischen Prozess meint, offenbaren Züge der Fragilität, der Unruhe und des Zweifels, welche die Kategorie des Scheiterns stets miteinschließen. In ihnen gründet Trögers Zeitgenossenschaft, das Signum von „Gegenwart-Sein“ im späteren 20. und frühen 21. Jahrhundert, welches im nur oberflächigen Blick auf diese Bilder in ihrer vermeintlichen Entrücktheit und Außenseiterstellung allzu leicht verkannt zu werden droht. Letztlich ist es diese Ambivalenz des Retrospektiven im Repertoire der Sujets und einem gleichzeitig ganz in der Gegenwart verankerten Malakt, deren permanenter Spannung sich Tröger immer von neuem stellt, in welcher Tragik und Größe seiner Kunst wurzeln. Sie nährt sich aus den Vorgaben der Natur, bildet diese aber nicht ab, sondern verwandelt sie über die Konstruktion des Bildraums, welcher die Dinge zur Erscheinung bringt. Nicht deren Gegenständlichkeit interessiert den Maler, sondern einzig jene Metamorphosen vom „Seherlebnis“ in die „Bildidee“, die sich im Malvorgang und über die Malmittel ereignen.
Bis zum heutigen Tag gilt für die Arbeit Rudi Trögers, was er selbst anlässlich seiner ersten Ausstellung im Kunstraum München 1977 geäußert hat, dass es sein Anliegen sei, die „Summe eines Seh-Erlebnisses“ sichtbar zu machen. Schon in den Gemälden der frühen Sechzigerjahre sind die Bildräume vielschichtig-schwingend angelegt. Sie prägt eine gleichsam zeichnerische Agilität und Empfindsamkeit, ein skripturaler Duktus, ohne dass die Grenze zum Gegenstandslosen im Sinne des im Strom der Zeit liegenden „Informell“ je überschritten worden wäre. Die hier vorgestellte Auswahl beabsichtigt nicht, sämtliche Facetten der Malerei Trögers zu beleuchten. Aber sie vermittelt doch einen gültigen Querschnitt, wobei dem Spätwerk des immer noch Tag für Tag schaffenden Malers gebührend Gewicht eingeräumt wird. Gerade die in den letzten Jahren entstandenen Stillleben und Blumenbilder, Abgesänge von überwiegend dunkel-elegischem Klang, konnten nur im Herbst eines erfüllten Malerlebens gelingen. Dem Flieder, den Pfingstrosen und Hortensien, selbst den gewöhnlich leuchtenden Sonnenblumen steht ihr baldiges Vergehen bevor. Sie erscheinen nicht mehr frisch, aber auch noch nicht gänzlich welk. Aus dieser Doppelbödigkeit entsteht eine wundervolle Malerei, welche die Zeit im Schwebezustand zu halten scheint. Wir gewahren die vollkommene Versenkung in den Gegenstand, ein empfindendes sich Hingeben, welches „Subjekt-Objekt“ verschmelzen lässt.
Text von Michael Semff
Vita
1929
Rudi Tröger wird in Marktleuthen, Oberfranken, geboren
(lebt und arbeitet in Westerholzhausen bei München)
1946—1949
Studienarbeiten bei dem Maler Wilhelm Beindorf in Marktleuthen
1949—1957
Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München bei den Malern Hans Gött und Erich Glette
1967—1992
Lehrtätigkeit an der Akademie der Bildenden Künste, München
1977
Wahl zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München
1993
Kunstpreis der Landeshauptstadt München
Friedrich-Baur-Preis für Bildende Kunst
2013
Kulturpreis Bayern für Malerei
Selected Solo Shows
2023
Rudi Tröger – Ausblicke und Innenschau – Kunsthaus Kaufbeuren
Gesture and line. Four post-war German and Austrian artists (mit Karl Bohrmann, Hermann Nitsch) – The British Museum, London
2021
Silent Encounter (mit Julius Heinemann) – Jahn und Jahn, München
2016
Rudi Tröger. Bilder 1960 bis 2016 – Karl & Faber, München, in Zusammenarbeit mit Galerie Fred Jahn, München, kuratiert von Dr. Michael Semff
2014
Rudi Tröger. Blumenbilder – Galerie Fred Jahn, München
2013
Rudi Tröger. Werke 1960–2012 – eine Ausstellung der Volksbank Raiffeisenbank Dachau eG im Schloss Dachau (Kat.)
2012
Rudi Tröger. Bildnisse 1960–2000 – Galerie Fred Jahn, München
2010
Rudi Tröger. Bilder und Arbeiten auf Papier 1958–2008 – Schönewald Fine Arts, Düsseldorf (Kat.)
Rudi Tröger – Galerie Maier, Innsbruck
2009
Heinz Butz und Rudi Tröger – Galerie Lelong, Zürich, Gastausstellung der Galerie Fred Jahn, München (Kat.)
2008—2009
Rudi Tröger. Zeichnen und Malen – Galerie Rolf Ohse, Bremen
2007
Rudi Tröger. Bilder und Arbeiten auf Papier – Galerie Josephski-Neukum, Issing am Ammersee
2006
Rudi Tröger. Gartenbilder – Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus und Bayerische Akademie der Schönen Künste, München (Kat.)
Rudi Tröger. Bilder und Gouachen – Völcker & Freunde, Berlin
2004
Rudi Tröger. Pastelle – Galerie Fred Jahn, München (Kat.)
2002
Rudi Tröger. Stilleben 1963–2002 – Galerie Fred Jahn, München (Kat.)
1999
Rudi Tröger. Arbeiten auf Papier – Staatliche Graphische Sammlung, München (Kat.)
Rudi Tröger. Arbeiten auf Papier – Galerie Zell am See, Österreich
Rudi Tröger. Wasserfarben 1995–1997 – Galerie Fred Jahn, München (Kat.)
1997
Rudi Tröger. Bildnisse und Figuren 1963–1993 – Galerie Fred Jahn, München
1996
Rudi Tröger. Bildnisse 1963–1993 – Nolan / Eckman Gallery, New York (Kat.)
1995
Rudi Tröger und Katharina von Werz – Staatliche Akademie und Museum für angewandte Kunst, St. Petersburg (Kat.)
1994
Rudi Tröger. Druckgraphik – Neue Galerie Dachau
Rudi Tröger. Landschaftsbilder – Kulturreferat der Landeshauptstadt München, Ausstellung in der Galerie im Rathaus, und Galerie Fred Jahn, München (Kat.)
Rudi Tröger. Bildnisse – Bayerische Akademie der Schönen Künste, München
Rudi Tröger. Gemälde und Zeichnungen – Kunstpavillon Innsbruck
1993
Rudi Tröger. Badebilder – Galerie Fred Jahn, München (Kat.)
Rudi Tröger. Figuren und Stilleben in der Landschaft. Bilder, Zeichnungen und Grafiken – Galerie Zell am See, Österreich
1990
Rudi Tröger. Wasserfarben 1963–1967 – Galerie Jahn und Fusban, München (Kat.)
1988
Rudi Tröger. Bilder 1959–1987 – Villa Stuck, München (Kat.)
1987
Rudi Tröger. Zeichnungen 1957–1985 – Städtisches Museum Leverkusen, Schloss Morsbroich (Kat.)
1985
Rudi Tröger. Druckgraphik 1965–1968 – Galerie Fred Jahn, München (Kat. mit Werkverzeichnis)
1983
Rudi Tröger. Bildnisse 1982–1983 – Galerie Tanit, München (Kat.)
1977
Rudi Tröger. Bilder und Zeichnungen 1963–1976 – Kunstraum München (Kat.)
Selected Group Shows
2023
Ungekämmte Bilder. Kunst ab 1960 aus der Sammlung Herzog Franz von Bayern – Pinakothek der Moderne, München
Gesture and line. Four post-war German and Austrian artists – The British Museum, London