Sebastian Dacey

Arbeiten

Text

Welchen Angriff die Gegenwart auf unser Bilddenken unternimmt, läßt sich vielleicht am debordschen Gedanken des Spektakels ermessen. Es ist, hinsichtlich dessen, schwer, selbst der kritischen Vernunft eine hinreichende Distanz zu dem, was ihr Gegenstand ist, zu zugestehen, denn sie ist gleichermaßen in dieser Gegenwart befangen. Erwartungen, Ansprüche prägen diese Gegenwart in einer breiten Nomenklatur und auf allen Ebenen, auch in den surrogaten Schichten, die sich per definitionem bewußter Reflexion entziehen. Selbst in der Kunst ist es kein Leichtes, Inhalte einzuspeisen, die über die spektakuläre Phrase hinausgehen. Zu sehr hängt das Subjekt an seinen synthetischen Aktivitäten, bewahrt ein unhinterfragtes Selbstverständnis dessen, was Kunst ist, als dass es sich wagen würde, ins Unzeitgemäße, Diskontinuierliche fortzubewegen und einmal – und sei es für einen kurzen Moment – die Gegenwart auszusetzen.

Sebastian Dacey spaltet das Material der Malerei in seinen Bildern mehr und mehr auf. Dabei behält er eines bei: die Malerei. Schon in seinen Arbeiten vor 2016 lassen sich Bilder sowohl mit figurativem Ansatz und welche, in denen die Malerei, sich selbst reflektierend, ins Gegenstandslose hinüberspielt, finden. Grob gesehen, entstehen ab 2016 zwei unterschiedliche Folgen von Arbeiten, die diese Aufspaltung aus einer grundlegenderen Perspektive angehen.

In dieser Einlassung auf ein binäres Bilddenken begleitet ihn kein strikt analytischer Gedanke in der Hinsicht einer technischen Zerlegung. Es ist eher wie in einem Traum, in dem die Elemente sich auseinanderbewegen und einem wie ein verwirrendes Gebilde erscheinen, dem eine so paradoxe Beschreibung, wie ‚diskontinuierliche Homogenität‘, nahe kommen könnte – denn Dacey setzt die Malerei selbst nicht aus. Als erratische Blöcke treiben diese Folgen auseinander und verweigern sich einer linearen Verbundenheit.

Auf der einen Seite entstehen Arbeiten, die sich im Figurativen aufhalten, in Öl gemalt auf Papier. Das Gegenständliche ist ihr Ereignis. Das Papier verhält sich zur Malerei wie ein Fremdkörper, es ist nur mehr der Grund auf den die Farbe aufgetragen wird, in den Bereichen, die das Gemalte für sich in Anspruch nimmt. Nicht dass Dacey zuvor keine Arbeiten auf Papier gemacht hätte, nur hatte die Fläche eine deutlich kompositorische Funktion. Das Weiße des Papiers verbleibt jetzt fast fremd und austauschbar, insofern nur sich selbst artikulierend, konkret, nichts über sich hinaus bedeutend, eine mehr oder weniger zufällig ausgewählte Fläche, auf der Malerei stattfindet. Insofern ist das Papier nicht einmal Hintergrund, es ist nur der Ort des Malens.

Die anderen Arbeiten konzentrieren sich auf Malgründe. Wie zum trocknen aufgehängte Häute werden sie übereinander geschichtet, aufgehängt an Bambusstäben, die, leicht durch das Gewicht gebogen, eine Art Oberkante dieser Anhäufungen bilden. Die Flächen sind nicht einsehbar, sind mal mit der bemalten, mal mit der unbemalten Seite zum Betrachter angebracht, bis auf die oberste Schicht. An ihr wird deutlich, dass es in diesen Arbeiten nicht um die Gegenständlichkeit der Malerei geht. Hier ist zu sehen, dass die Stoffe grob bemalt sind, eher flächig, mit Farben, in Öl getränkt, sie stellen nichts dar, entziehen sich jeglicher mimetischen Funktion, verweisen auf sich als Malfläche.

Die Molton- und Leinenstoffe erscheinen wie Auskopplungen, nur mehr Hintergründe, herausgetrennt aus möglichen Bildern, denen ein figurativer oder narrativer Ansatz genommen wurde. Und dennoch sind das keine abstrakten Bildarbeiten. Die Stoffe sind zu Assemblagen zusammengefasst, in ihrer Konkretheit formieren die Leinwände dann ganz eigene Narrative. Die Bildfläche befindet sich dabei nicht in einem Kontext, wie es z. B. ein Museum darstellt, nach spezifischen Kriterien, ein Bild neben oder über das andere an Wände gehängt und für die Öffentlichkeit nach bestimmten Interessen aufbereitet, in einem Zustand also, der nach der Produktion des Bildes liegt und repräsentativen Regulierungen unterliegt. Dacey verweigert seinen Leinwänden jegliche Rahmung, ausgeschnitten oder gerissen sind sie an den Rändern, auch laufen Risse durch die Flächen, es gibt Löcher in ihnen. Die Assemblagen erzählen von einem Zustand weit nach dem Ende der Malerei. Wie Relikte von etwas Vergangenem sind sie miteinander kombiniert, Übriggebliebenes von der Idee des Bildes, dem nicht einmal mehr die Sichtbarkeit geblieben ist. Eigenschaften und Kräfte werden ihnen zugeschrieben, die sie von Natur aus nicht besitzen als wären es Fetische. Ansammlungen von einer Welt, die am Rande des Vergessens steht.

Anders die Arbeiten auf Papier, ihre Konzentration aufs Gegenständliche – die Rahmung fällt nicht ins Gewicht, auch nicht der Malgrund. Es geht nur um das narrative Ereignis, das sich arbiträr zu seinem Ort verhält. Das läßt an Höhlenmalerei denken, ein Ritual, das nur sich, den Prozess der Produktion für wichtig erachtet. Das Produzierte verliert an Interesse, sobald das Ritual abgeschlossen wird – gelegentlich wurde es einfach übermalt, befand es sich an der Stelle, wo ein nächstes Ritual stattfinden sollte. Auch ist es in der Höhle dunkel zu den Zeiten außerhalb des Rituals. Das Bild findet bei der Höhlenmalerei seine Idee nicht in seiner Sichtbarkeit – abgesehen bei archäologischen Interessen der Nachwelt. Ein Zustand also weit vor dem Anfang der Malerei.

Klar wird, dass Dacey sich mit seiner Aufspaltung der Malerei konzentrisch um eine Auslassung bewegt. Es geht ihm nicht um eine technische Analyse dessen, was die Bestandteile der Malerei ausmacht, vielmehr darum die Räume zu erkunden, aus denen das Verständnis und Selbstverständnis dessen, was Malerei beansprucht, herkommen und wohin es verschwinden könnte. Der Anspruch, den die Malerei in der Gegenwart ausmacht, stellt die Auslassung dar, eine Lücke, deren Eigenlogik sich Dacey auf andere Weise zu nähern versucht.

„Man kann nur untersuchen, was man zuvor geträumt hat“, schreibt Bacherlard in seiner Psychoanalyse des Feuer, und man ahnt, dass sich das Geträumte selbst der Untersuchung entzieht, das Geträumte ist ein vage in der Erinnerung gebliebenes Bild, das wirkt wie eine surrogate Geste, ein nur geahntes Zeigen auf ein Anderes, als gäbe es selbst an der Neugierde etwas, das sich entzieht; auch die Neugierde an der Neugierde wird immer einen dunklen Punkt umkreisen. Das Manifeste unterhält ein etwas zwielichtes Verhältnis zu seinem Ur- oder Vorbild, ist durch Bewusstwerdung immer ein Abgeschnittenes, das auf eine Lücke verweist. 

Nicht dass Dacey diesen verdeckten Bereich aufdecken würde, aber er erzählt von seinen Einschreibungen. Und es erscheint als das, was in die Malerei eingeschrieben ist, in einem Zustand des Davor, im Traum, in einer Höhle und in der Ausbreitung des Danach, als Anhäufung des Gebliebenen, das seinen Sinn in Bezug zum Sichtbaren selbst verloren haben könnte.

Hier ein Transzendieren von etwas Naturhaftem oder eine Re-Essentialisierung der Kunst anzunehmen, würde dem Ganzen entgegenstehen. „What the fuck is nature? nature is the sun and everything she shines her light on oh and, those weird looking fish that have no eyes cause they live in total darkness at the bottom of the sea, (so growing eyes would be a complete waste of time (evolutionary speaking) well they’re nature too” schreibt Sebastian Dacey. Die Klammer also, die sich hier ergibt, zielt nicht auf Einholbarkeit, erst recht nicht auf intellektuelle Einholbarkeit – dazu ist hier zu viel Bild. Es ist auch nicht ein spekulativer Rahmen, der einen Anfangs- und Endpunkt festlegen möchte. Vielmehr geht es - auch in der Malerei – um die Ahnung der Möglichkeit des Diskontinuierlichen...

Presse on Art Viewer

Vita

1982

geb. in London

lebt und arbeitet in Berlin und an anderen Orten

2003—2005

Akademie der Bildenden Künste, München (Nikolaus Lang, Günther Förg)

2003—2005

Wimbledon College of Art, London

2008

Meisterschüler von Günther Förg

2010

Villa Romana, Florenz

2018

Bayerischer Kunstförderpreis 2018 (Bildende Kunst)

Selected Shows

2020

Noailles – Jahn und Jahn, München

Your Mask (Part III: Don’t Forget Your Mask) – Jahn und Jahn, München

2019

Bayerische Kunstförderpreise Bildende Kunst 2018 (Sebastian Dacey, Claudia Barcheri, Sophia Süßmilch und Benjamin Zuber) – BBK München

2018

Fast Car, Sebastian Dacey, Susanne Wagner und Tim Benett – Artothek, München 40+10+1 – Jahn und Jahn, München

2016

Sebastian Dacey – Galerie Jahn Baaderstrasse, München

Grupetto – Kunstarkaden, München

2015

Jacky Strenz, Frankfurt a. M.

The night face up (mit Peter Bonde) – Kunsthalle / PLU41, Berlin

Transition – Fiebach–Minninger, Köln

Palazzo Collapso – Hofgartenstraße 6A, München

2014

Too many friends – Galerie Jahn Baaderstrasse, München

O.N.P.A.P.E.R. – Galerie Fred Jahn, München

Winter – Galerie Barbara Oberem, Bremen

Taylor Wessing – München

SEBASTIAN DACEY, SIBYLLE DUMKE, FABIAN FOBBE, MONRAD – Sabine Knust, München

2013

German Kleinformat – Lateral Art Space, Cluj

Städtische Galerie Cordonhaus, Cham

2012

Jacky Strenz Galerie, Frankfurt a. M.

Jahresgaben 2012 – Kunstverein München, München

All things Bright and Broken – Galerie Jahn Baaderstrasse, München

Life´s Little Tragedies – Kunstverein Heilbronn

Deutsche Bundesbank, Frankfurt a.M.

2011

What do you call people who pretend to be horses – Sabine Knust Galerie, München

Hello, Good Morning, Thank you And Good Bye – Kunstverein Oldenburg, Oldenburg

Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen – Galerie Jahn Baaderstrasse, München

2010

Alloro, Villa Romana grant winner – Haus am Waldsee, Berlin

Galerie Ben Kaufmann, Berlin

A thing is a thing in a whole which is not Temporary Gallery – Köln

Accrochage – Galerie Mikael Andersen, Kopenhagen

Komm wir gehen – Galerie Jahn Baaderstrasse, München

2009

Jacky Strenz Galerie, Frankfurt a. M.

Forgotten Bar Project, Berlin

Groupshow – Galerie Jahn Baaderstrasse, München

Tät, Berlin

Samsa (mit Fabian Fobbe), Berlin

Weltraum, München

2008—2006

Meisterwerke des 21. Jahrhunderts – Galerie Ben Kaufmann, Berlin

Galeria Casado Santapau, Madrid

Picnic in Paradise – Galerie Mikael Andersen

Groupshow – eine Reaktion Jacky Strenz Galerie, Frankfurt a. M.

Favoriten – Kunstbau im Lenbachhaus, München

Most – Bridge La Fabriqua, Prag

Galerie Ben Kaufmann, Berlin

La Boum III – Warschau

All hands on deck! – Galerie Ben Kaufmann, Berlin

Psychologie des Zwischenfalls – Galerie Ben Kaufmann, Berlin

La Boum I – Galerie Ben Kaufmann, Berlin

La Boum II – Sies + Höke Galerie, Düsseldorf