(...) Die Bilder von Erwin Pfrang kommen von weit her. Sie können bei der ersten Begegnung Befremden auslösen, auch Ratlosigkeit und Erschrecken, die sich angesichts neuer Entwicklungsschritte des Künstlers auch bei denjenigen einstellen mögen, die mit seinem bisherigen Werk vertraut zu sein meinten. Ist man aber offen und bereit, sich führen zu lassen, so erkennt man die Konstanten auf dem logisch und konsequent verfolgten Weg, der sich als Reifungsprozess einstellt
Schon in den Bildern von Beginn der achtziger Jahre, die sich äußerlich erheblich von den späteren Arbeiten unterscheiden, tritt eine zögernde, tastende, in gedämpfter Farbigkeit vorgetragene Einstimmung auf wesentliche inhaltliche Grundlinien des Werks in Erschienung. Die assoziative Auseinandersetzung mit zentralen Themen religiös-mythologischer Welterfahrung und Weltdeutung – wie Schöpfung, Geburt, Tod – steht im Vordergrund, wobei einzelne Motive in wiederholten Ansätzen umkreist und variiert werden. Die märchenhafte Stimmung mancher Bilder dieser frühen Phase ist nicht unbeschwert, und in die Arglosigkeit kindlicher Spiele und Träume mischt sich ein bedrohlicher Unterton. In steigendem Maße kommt dann aber auch bedrängend erlebte Gegenwart ins Spiel, die zunächst in Gestalt sturzflutartiger Farbströme und -wirbel letzte Elemente figürlicher Selbstbehauptung zu verschlingen, bald durch beklemmende Dichte metaphorischer Projektionen das Individuum zu überwältigen droht. Auf die mit besonderer Sensibilität empfundene Verstrickung aller menschlichen Existenz in Schuld und Not reagiert der Künstler mit Betroffenheit und Verstörtheit, den Absurditäten der modernen Zivilisation begegnet er mit Ironie und einer Spur Sarkasmus.
Auch in den neueren und neuesten Arbeiten treten diese grundlegenden Orientierungen des Werks in Erscheinung; die früh zu ahnenden Keime haben sich entfaltet. Dem Zugewinn an Sicherheit in der Beherrschung der künstlerischen Mittel entsprechen Versachlichung und ein weiterer Blick, freierer Umgang mit der Emotionalität, größere Klarheit und Entschiedenheit der Diktion. Aufhellung und Intensivierung der Farbskala sowie das Bedürfnis, sich in der Auseinandersetzung mit großen Bildformaten zu behaupten, sind äußere Zeichen gestiegener Selbstbewusstheit.
Bei aller Spannweite der Entwicklung, aller Vielfalt der Ausdrucksformen verfolgen diese Bilder unbeirrbar und in immer neuen Ansätzen ein einziges Ziel: die Selbstbefragung, Selbsterfahrung des Menschen – vom Künstler als Vorgabe geleistet und dem Adressaten vor Augen geführt. Sie stellen statische Szenen eines Welttheaters dar, in denen das Augenmerk nicht auf den Fortlauf der Handlung gerichtet ist, sondern auf die Erfassung und Beschreibung der Situation. Sachverhalte werden dargelegt, aber nicht gedeutet, kommentiert oder pädagogische aufbereitet. Dem Betrachter bleibt es überlassen, seine Schlüsse zu ziehen. (...)
Text von Peter Eikemeier, Auszug aus: Formen der Bewusstwerdung, in: Erwin Pfrang. Bilder, Verlag Fred Jahn, München 1999
Vita
1951
Erwin Pfrang wird in München geboren
(lebt und arbeitet in Berlin)
1974—1979
Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München
1982
Staatlicher Förderpreis des Freistaates Bayern
1987—1990
Lebt und arbeitet in Montepulciano in der Toskana, Italien
1989
Kunststipendium der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München
1990—1996
Lebt und arbeitet an unterschiedlichen Orten in Italien (Toskana und Ligurien)
1996—2000
Lebt und arbeitet in SOLET, einer verlassenen Travertinfabrik in Val d’Orcia, Toskana
2000—2003
Rückkehr nach Deutschland (München und Augsburg)
2003
Kehrt nach Italien zurück, lebt und arbeitet in Catania auf Sizilien
2011
Rückkehr nach Deutschland (Berlin)
Selected Solo Shows
2021
Erwin Pfrang – Katholische Akademie in Bayern, München
2019
Erwin Pfrang. Gedacht durch meine Augen – Buchheim Museum, Bernried
2016
Axel Pairon Gallery, Knokke, Belgien
2015
Erwin Pfrang. Sonderausstellung in der Residenz – Galerie Fred Jahn / Residenz, München
Erwin Pfrang. Neue Arbeiten – Galerie Jahn Baaderstrasse, München
2013
Erwin Pfrang. Illustrationen zu James Joyce „Dubliner“ (Deutsche Ausgabe, Reclam 1994) – Kunst am CAS / LMU (Center for Advanced Studies, Ludwig-Maximilians-Universität München), München (Kat.)
2012
Erwin Pfrang. Neue Bilder – Galerie Fred Jahn, München
2010
Erwin Pfrang. Bilder – Galerie MZ, Augsburg
2009
Erwin Pfrang – Die Tankstelle, Berlin (Juerg Judin, Berlin, in Zusammenarbeit mit Galerie Fred Jahn, München)
Zeichnungen zu „James Joyce: Dubliner“, Reclam Verlag, Leipzig 1994, und andere Arbeiten aus der Sammlung Walter Bareiss – Galerie Fred Jahn, München
2008
Erwin Pfrang. Gegenwelten – Kunstparterre München, München (Kat.)
Erwin Pfrang. Zeichnungen – Wolfram Völcker Fine Art, Berlin
2007
Erwin Pfrang. Hades – Staatliche Graphische Sammlung in der Pinakothek der Moderne, München (Kat.)
Erwin Pfrang. Großformatige Tuschbilder 2005–2007 – Galerie Fred Jahn, München, und Norwood Fine Arts, München
Opere – Università degli Studi di Catania, Centro Voltaire, Catania, Italien
2006
Paintings – Daniel Weinberg Gallery, Los Angeles
2005—2006
Hades and Other Drawings – Nolan / Eckman Gallery, New York
2005
Neue Bilder – Galerie Fred Jahn, München
2004
Bilder, Zeichnungen und Graphik – Völcker & Freunde Galerie, Berlin
Circe Drawings – Bank of Ireland Arts Centre, Dublin, Irland
2002
Paintings and Drawings – Nolan / Eckman Gallery, New York
Paintings and Drawings – The Norwood Gallery, Brüssel
2001
Bilder und Zeichnungen – Galerie Fred Jahn, München
2000
Paintings and Drawings – The Norwood Gallery, Austin, Texas
1999
IO & LUI – Nolan / Eckman Gallery, New York (Kat.)
Bilder – Staatsgalerie moderner Kunst, München (Kat.)
1998
Arbeiten auf Papier & Odysseus und kein Ende – Staatliche Graphische Sammlung München, München (mit zwei Katalogen im Schuber)
1997—1998
Paintings and Drawings – Daniel Weinberg Contemporary Art, San Francisco
1997
6 Personali – Castelluccio di Pienza-La Foce, Italien
1995
Dubliner Drawings and Related Works – Nolan / Eckman Gallery, New York
1994
Bilder 1990–1994 – Galerie Fred Jahn, München
1991
Circe Drawings – David Nolan Gallery, New York (Kat.)
Aquarelle – Galerie Jahn & Fusban, München
1986
Bilder – Galerie Fred Jahn, München
1984
Zeichnungen – Galerie Fred Jahn, München (Kat.)
Selected Group Shows
2023
Ungekämmte Bilder. Kunst ab 1960 aus der Sammlung Herzog Franz von Bayern – Pinakothek der Moderne, München
2020
Your Mask (Part III: Don’t Forget Your Mask) – Jahn und Jahn, München
2018
40+10+1 – Jahn und Jahn, München
2011
Bildnis und Figur. Oskar Coester / Frank Günzel / Walter Klose / Erwin Pfrang / Rudi Tröger / Katharina von Werz – Karl & Faber, München, in Zusammenarbeit mit Galerie Fred Jahn, München
2008
Deutsche Zeichnungen und Originalgrafik der Gegenwart – Wolfram Völcker Fine Art, Berlin
2007
Karl Bohrmann / Heinz Butz / Erwin Pfrang / Friedrich G. Scheuer / Rudi Tröger / Katharina von Werz. Bilder, Aquarelle, Zeichnungen – Karl & Faber, München, in Zusammenarbeit mit Galerie Fred Jahn, München
2005
Extraordinary Visions. Hans Bellmer, Anne Chu, Amy Cutler, Amy Finkbeiner, Valerie Favre, George Grosz, Karl Hubbuch, Yun-Fei Ji, Jim Nutt, Erwin Pfrang, Rudolf Schlichter, Peter Stauss – Nolan / Eckman Gallery, New York
2004
Joyce in Art – Royal Hibernian Academy, Dublin
2002
Drawn from a Family – Colby College Museum of Art, Waterville, Maine
2001
Dreams 1900–2000 – Passage de Retz, Paris
Unterwegs – Bayerische Akademie der Schönen Künste, München
- Nationale der Zeichnung – Zeughaus, Augsburg
2000
Dreams 1900–2000 – The Equitable Gallery, New York; Historisches Museum der Stadt Wien, Wien; Binghamton University Art Museum, Binghamton, NY
1994
- Nationale der Zeichnung Augsburg – Zeughaus, Augsburg
1993
Positionen – Galerie Fred Jahn, München, und Michael Hasenclever Galerie, München
1992—1993
Drawn in the ’90s – Museum of Art, Katonah, NY; Illingworth Kerr Gallery, Alberta; College of Art, Calgary; Huntsville Museum of Art, Huntsville, Alabama
1990—1991
Erwerbungen 1982–1989. Ankäufe und Geschenke. Eine Auswahl – Staatliche Graphische Sammlung, München
1990
Künstler der Galerie – Galerie Jahn & Fusban, München
1989
Künstler ’89 im Palais Preysing – Palais Preysing, München
1988—1989
Alberto Giacometti. Prints & Erwin Pfrang, Frank Günzel, Rudi Tröger. Drawings – David Nolan Gallery, New York
1988
Rückblick / Ausblick – Galerie Fred Jahn, München
Gemeinschaftsausstellung mit Annette Lucks, Norbert Eberle und Frank Günzel – Galerie Buchmann, Basel, und Galerie Heike Curtze, Düsseldorf
Zeichenkunst der Gegenwart. Sammlung Prinz Franz von Bayern – Staatliche Graphische Sammlung, München
1987
Norbert Eberle, Frank Günzel, Annette Lucks, Erwin Pfrang. Arbeiten auf Papier – Galerie Fred Jahn, München
Stilleben – Galerie Biedermann, München
1986
Köpfe – Galerie Biedermann, München
1985
Gemeinschaftsausstellung mit Frank Günzel – Knöbelstraße, München
1983
Gemeinschaftsausstellung mit Annette Lucks und Norbert Eberle – Knöbelstraße, München
1982
Neuerwerbungen. Ankäufe / Geschenke / Dauerleihgaben – Staatliche Graphische Sammlung, München