In der Ausstellung Prints and Related Drawings zeigt die Galerie Fred Jahn eine Auswahl von Radierungen – einige davon sind handkoloriert – und Zeichnungen der portugiesisch-britischen Künstlerin Paula Rego. Damit präsentieren wir diese international renommierte Künstlerin in Deutschland erstmals in einer Einzelausstellung. Ermöglicht wurde dies dank der freundlichen Unterstützung von Marlborough Fine Art, London. Die gezeigten Arbeiten werden nur wenige Tage – anlässlich des KUNSTWOCHENENDES 2013 und während der MUNICH HIGHLIGHTS – in den Räumen der Galerie Fred Jahn in der Münchner Residenz zu sehen sein.
Malerei, Zeichnung sowie das Medium der Radierung stehen im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit von Paula Rego. Im Fokus unserer Ausstellung steht ihr grafisches Oeuvre, und dies vor allem vor dem Hintergrund von Regos Bedeutung als einer der wichtigsten figurativ arbeitenden Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Kennzeichen ihres unverwechselbaren Stils sind die expressive Präsenz ihrer Figurationen, generiert aus einer assoziativen Nähe zu Vorbildern der Kunstgeschichte, wie zum Beispiel Edgar Degas und Pierre Klossowski, sowie Anregungen aus der Populär-Ästhetik der großen viktorianischen Illustrationskunst. Das Changieren ihrer Arbeiten zwischen ambivalenten Deutungsmöglichkeiten und der nahezu haptischen Präsenz ihrer Figurationen, die sich durch ihre gleichzeitige magisch-surreale Abstraktion der konkretisierenden Betrachtung zu entziehen scheinen, machen den Reiz und das Rätsel ihrer Arbeiten aus.
Die stets konkreten Themen werden von Regos außergewöhnlicher Erzählstrategie getragen – in einem Zusammenspiel von Komposition und einer geradezu malerischen Gestaltungsweise. Was so entsteht, ist überaus komplex – erzählerisch wie metaphorisch – und aufgrund von Regos populärkulturellen Themen und den Anklängen an ein kollektives Gedächtnis pointiert inszeniert. Dabei wird aus unterschiedlichsten Quellen geschöpft: aus Märchen etwa, aus Kindergeschichten wie Peter Pan und aus Romanfiguren wie Jane Eyre, aus Sagen und mythologischen Figuren, aus poetischen Texten etwa des Franzosen Yves Bonnefoy, aus Singreimen und Erzählungen, aber auch aus aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen wie jenen in den 90er Jahren über die Abtreibung in Portugal.
Trotz ihrer konkreten Themen sind Regos Arbeiten weder bloß illustrativ noch reißerisch karikierend. Vielmehr arbeitet die Künstlerin in einer autobiografischen und individuell re-konotierten Weise mit dem jeweiligen Thema. In den fertigen Bildern lässt sich das an ihren spannungsreichen Figurendramaturgien ablesen. So gelingt es ihr, autonome künstlerische Statements zu erschaffen. Dennoch behalten auch die Textreferenzen ihre Aussagekraft. Denn Rego verwendet die „fiktionalen“ Texte – und Zitate stereotyper Rollenbilder ebenso – als ernst zunehmendes Erbe einer gesellschaftlichen Sur-Realität, da sie sich in ihrem privaten Wirkungsfeld sowohl der „Zensur“ als auch der Institutionalisierung durch politische Autoritäten entziehen konnte. So wird also der re-inszenierte Stoff in Regos Arbeiten vor allem als ein Medium wiederverwendet, mit dem institutionalisierte Werte potenziell unterlaufen werden können. Konkret realisiert sie so durch ihre überspitzten Inszenierungen – der Themen einerseits und der Rollenschemata ihrer Protagonisten andererseits – nicht nur eine zum Grostesken tendierende Ästhetik, sondern es gelingt ihr darüber hinaus, das gesellschaftspolitisch subversive Potenzial von Tradiertem, Populärem und Etabliertem drastisch zu verdeutlichen. So gesehen ist Paula Regos Kunst brandaktuell.
Viktoria Tiedeke