Die zumeist großformatigen Malereien von Norbert Tadeusz zeichnen sich nicht nur durch eine außergewöhnliche Farb- und Lichtintensität aus, sondern durch einen besonderen Umgang mit Raum, Körper und Komposition. So ist auch das in der Ausstellung gezeigte monumentale "Triptychon" (1973) von einer expressiven Bildsprache sowie einem komplexen Bildaufbau bestimmt. Neben Mobiliar und Malutensilien weist die dargestellte Atelierszene ein Sammelsurium verschiedener Gegenstände auf, darunter ein Telefon, Schallplatten und eine Ansammlung von Schuhen. Im Zentrum der Arbeit befindet sich ein weiblicher Akt, der als Kreuzigungsfigur mit Tuch präsentiert wird. Tadeusz greift dieses Motiv sowohl in anderen Werken als auch in diesem Triptychon mehrfach auf: als Motiv eines großen Gemäldes im mittleren Bildteil und in diversen kleineren Porträts, die zwischen Hundemaske und Hirschgeweih an den Wänden des Studios hängen. Ebenso taucht die weibliche Kreuzigungsfigur im linken Bildteil auf, wo der Künstler das Konzept vom Bild im Bild auf die Spitze treibt: Hinter einem Stapel Rahmenhölzern lehnt ein Gemälde, das den Künstler als halbnackte Rückenfigur vor seinem Werk (erneut mit der Kreuzigungsszene) abbildet. Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass Tadeusz an dieser Stelle eine Spiegelung integriert hat, wodurch sich ein weiterer Bildraum eröffnet. Das Prinzip der Doppelung wird ad absurdum geführt. Gleichzeitig bricht Tadeusz immer wieder mit Regeln der Perspektive und fordert so tradierte Sehgewohnheiten heraus. Die BetrachterInnen werden mit einer vielschichtigen Raumgefüge und unzähligen Querverweisen konfrontiert, die es zu entdecken gilt. Ungewiss bleibt beispielsweise, ob es sich im rechten Bildteil um ein Fenster oder um Landschaftsmalereien handelt.
Ähnlich wie das Fenster als Schwelle zwischen Innen und Außen fungiert, wird die zwischen Realität und Illusion oszillierende Malerei seit Albertis Traktat "De Pictura" (1435) als „Fenster zur Welt“ verstanden. Indem sich Tadeusz in seinem Atelier – dem privaten Ort der Kunstproduktion – porträtiert, rückt er die Malerei selbst in den Fokus. Entgegen vorherrschender künstlerischer Tendenzen, wie sie in der Konzeptkunst, Pop Art oder im Minimalismus der 1960er-Jahre Ausdruck fanden, ist Tadeusz zu keinem Zeitpunkt von der Figuration abgewichen und hat – wie andere Künstler seiner Generation, zu der auch Gerhard Richter oder Sigmar Polke zählen, – eine ganz eigene, unverkennbare Position entwickelt. Seine Werke bedienen klassische Sujets: Interieurs, Stillleben, Akt und Landschaft. Vom Staubsauger über das Fahrrad bis hin zum Blick aus dem Fenster thematisiert Tadeusz banale Alltagsgegenstände und –beobachtungen ebenso wie surreale Szenen, Tierkadaver oder akrobatische Akte. In seinem Werk stehen überdrehte Posen und fleischige Leiber streng begrenzten Flächen mit dominanten Schlagschatten gegenüber. Ausgangspunkt für Tadeusz’ Malereien sind Fotografien und Zeichnungen, die der Künstler in seinen Kompositionen verarbeitet, kombiniert und Prozessen der Übermalung unterzieht. Dabei hat der einstige Meisterschüler von Beuys der Darstellung von Körper und Raum immer eine große Bedeutung beigemessen, die er mit Licht, Form und Farbe modelliert.
Norbert Tadeusz (1940 Dortmund – 2011 Düsseldorf) studierte von 1961 bis 1966 an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, für die er in den 1970er- und 1980er-Jahren in der Abteilung Münster lehrte. Es folgten Professuren an der Hochschule der Künste Berlin (1988-1991) und an der Hochschule der Bildenden Künste in Braunschweig (1991-2005). Seine erste institutionelle Einzelausstellung widmete ihm das Kunstmuseum Düsseldorf 1970. Seitdem wurde Tadeusz’ Werk in bedeutenden Museen gezeigt, so aktuell im Kunstpalast Düsseldorf. Ab Mai 2020 richtet das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster eine Soloschau des Künstlers aus.