Opening: Donnerstag, 25. Mai 2023, 18–21 Uhr
Es sind figürliche Motive, die in der Ausstellung präsentiert werden. Als Konrad Klapheck 1997 sein erstes »Küchenbild« mit Figuren malte, waren die einen im Publikum geschockt, die den »Maschinenmaler« bewunderten. Aber die anderen fanden den Mut großartig, das Werk sozusagen neu zu beginnen mit den Frauenakten – ein Befreiungsschlag des damals 62 Jahre zählenden Malers. Neben den Akten und den erotischen Szenen von umwerfender Freizügigkeit entstanden bald Jazz-Motive. In der Zeit von 1992 bis 2002 kamen Porträtzeichnungen von Künstlerkolleg*innen und Persönlichkeiten aus der Kunstwelt hinzu. Aus seinem »Maschinenzeitalter« übernahm Klapheck die kühle, oft metallisch glänzende Farbigkeit und eine Typisierung der Figuren. Deshalb entstand ein faszinierender Kontrast zwischen heißen Jazz-Rhythmen, erotischen Szenen und einer scheinbar leidenschaftslosen Malerei. Der Künstler scheint ein Ausführender zu sein für Versuchsanordnungen, die das Surreale streifen. Die Nähe zu dieser Kunstrichtung, die von André Breton propagiert wurde, den Klapheck persönlich kannte, hat sein Schaffen seit der ersten Schreibmaschine im Jahr 1955 inspiriert. Aber Klapheck fand zu Motiven, die weiter ausgreifen.
Die Figuren im Gemälde »Der Aufzug« fahren am Auge des Betrachters vorbei wie in einem Schicksalskaleidoskop. Der Junge, der seine Erfahrungen macht mit der starren »Göttin«, hat den Paternoster noch vor sich, der zur Metapher für ein Leben werden kann. Die sorgfältig konstruierte Vorzeichnung folgt Gesetzen wie dem Goldenen Schnitt, ohne ihr Geheimnis preiszugeben. Das Weibliche wird in weiteren Bildern monumentalisiert, zum Beispiel in »The Ladies« oder »Die Porträtsitzung«. Faszination und Bedrohlichkeit vermischen sich auf hintergründige autobiographische Weise. Daneben wirken die Porträtzeichnungen wie die altmeisterliche Ingredienz in Klaphecks Kunst, wie gereinigte Form. Der französische Erz-Klassizist Jean-Auguste-Dominique Ingres wirkt aus dem 19. Jahrhundert nach, bewundert von Klapheck. Die Bildnisse kommen ohne viel Ambiente aus. Sie konzentrieren sich auf frontale Figuren mit sparsamen Gesten, dennoch genau kennzeichnend. Bei alledem sollte nicht übersehen werden, dass Klapheck genüsslich mit Witz, Ironie und Groteske spielt. Der am Boden musizierende Saxophonist, der staunende und ratlose Knabe vor den entblößten Brüsten der jungen Schönheit (im Hintergrund ein zartes Wölkchen aus einem Vulkanbild), der linkische Tänzer in »Amateurs’ Night« und so weiter: Klapheck beherrscht ein Augenzwinkern voller Ernst.
Text: Siegfried Gohr
Konrad Klapheck, geb. 1935 in Düsseldorf, 1954–1958 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bruno Goller. Nach einer frühen Anerkennung seiner künstlerischen Arbeit durch den Förderpreis zum Großen Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 1961 lehnte er im Anschluss daran und bis heute alle Auszeichnungen ab. Seine Malerei beeinflusste ab den 1970er Jahren die Stilrichtung des Hyperrealismus. 1968 und 1977 nahm er an der Documenta in Kassel teil. Von 1997 bis 2002 hatte Klapheck eine Professur für Freie Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf inne. 2010 wurde er zum Ehrenmitglied der Kunstakademie Düsseldorf ernannt. Klapheck lebt in Düsseldorf. Einzelausstellungen u.a. 2021 Museum MORE, Gorssel (NL); 2019/20 Musée des Beaux-Arts de La Chaux-de-Fonds (CH); 2013 Museum Kunstpalast, Düsseldorf; 2008 Kunstverein Ulm; 2006 Kunsthalle Recklinghausen; 2006 von Bartha Collection, Basel; 2005 Musée d’Art Moderne et Contemporain de Strasbourg; 2004 LVR-LandesMuseum, Bonn; 2004 MAMCO – Musée d’art moderne et contemporaine, Genf; 1986 Kunsthalle Tübingen; 1986 Staatsgalerie moderner Kunst, München; 1985 Hamburger Kunsthalle, Hamburg; 1975 Palais des Beaux-Arts, Brüssel; 1975 Kunsthalle Düsseldorf; 1974 Museum Boymans van Beuningen, Rotterdam; 1966 Kestner Gesellschaft, Hannover; 1966 Von der Heydt-Museum, Wuppertal; 1965 Palais des Beaux-Arts, Brüssel; 1964 Haus am Lützowplatz, Berlin.
Weiterführende Literatur:
Konrad Klapheck. Venus ex Machina, mit einem Beitrag von Ype Koopmans, Ausst.-Kat. Museum MORE, Gorssel, Zwolle 2021, 128 S.
Konrad Klapheck. Bilder 1958–2015, mit Beiträgen von Lorand Hegyi, Erika Schlessinger-Költzsch und Sandra Vásquez de la Horra, hg. v. Galerie Haas, Zürich 2018, 48 S.
Klapheck. Derrière le rideau, mit Beiträgen von Kay Helmer und Konrad Klapheck, hg. v. Galerie Lelong, Paris 2017, 71 S.
Konrad Klapheck. Das graphische Werk, mit Beiträgen von Siegfried Gohr und Tanja Wessolowski, hg. v. Siegfried Gohr und Isabel Siben, Berlin 2015, 128 S.
Klapheck. Bilder und Texte, hg. v. Kay Heymer und Beat Wismer, Ausst.-Kat. Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf, München 2013, 184 S.
Klapheck. Dreams on Paper, mit einem Text von Isabella Colonna Preti, Varese 2013, 78 S.
Dieter Roelstraete, »L’Homme Machine«, in: Artforum, Vol. 50, Nr. 7, März 2012, S. 249–253.
Klapheck. Swing, Brother, Swing, mit einem Beitrag von Francis Marmande, hg. v. Galerie Lelong Zürich/Paris, Paris 2009, 48 S.
Konrad Klapheck. Paintings from 1955 to 1988, mit Beiträgen von André Breton, Konrad Klapheck und Christopher Williams, hg. v. Zwirner & Wirth, New York 2007, 136 S.
Menschen und Maschinen. Bilder von Konrad Klapheck, hg. v. Ferdinand Ullrich und Hans-Jürgen Schwalm, mit Beiträgen von Fabrice Hergott, Hans-Jürgen Schwalm u.a., Ausst.-Kat. Kunsthalle Recklinghausen 2006, Kleve 2006, 160 S.
Hans Ulrich Obrist, Konrad Klapheck (The conversation Series, 3), mit Fotografien von Hans-Peter Feldmann, Köln 2006, 68 S.
Villa Klapheck, mit Beiträgen von Didier Ottinger und Konrad Klapheck, hg. v. Galerie Lelong, Paris 2005, 64 S.
Klapheck, hg. v. Arturo Schwarz, mit Beiträgen von André Breton, Annie Le Brun, Arturo Schwarz und Werner Schmalenbach, Mailand 2002, 192 S.
Klapheck, mit einem Text von Jacques Dupin, hg. v. Galerie Lelong Zürich, Paris 1998, 32 S.
Konrad Klapheck, mit einem Beitrag von Rolf-Gunter Dienst, Bonn 1992, 72 S.
Konrad Klapheck. Retrospektive 1955–1985, hg. v. Werner Hofmann, mit Beiträgen von Werner Hofmann, Konrad Klapheck und Peter-Klaus Schuster, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle / Kunsthalle Tübingen / Staatsgalerie moderner Kunst, München, München 1985, 214 S.
Konrad Klapheck, mit Beiträgen von André Breton, Wieland Schmied u.a., Ausst.-Kat. Museum Boymans van Beuningen Rotterdam / Palais des Beaux-Arts Bruxelles / Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Gent 1974, 204 S.