Eröffnung: Donnerstag, 24.10.2019, 19–21 Uhr
Frank Sobotka:
Why the f... didn’t you tell me
what was in that
motherf...ing can?!
Spiros Vondas:
Now you wanna know what’s in the cans? Before you wanted
to know nothing. Now you ask.
Guns, okay?
Drugs, whores …vodka, BMWs,
Beluga caviar …
or bombs maybe, hmm?
Bad terrorists with big nuclear bombs.
I’m kidding you Frank, it’s a joke.
But you don’t ask … because
You don’t wanna know.
The Wire, Season 2, Episode 2, 2003
Kaum etwas lebt inmitten der Weltmeere, der Mensch schon einmal gar nicht. Auf fahrbaren Inseln bewegt er sich über das Wasser, das für ihn Wüste ist, durchkreuzt es, tonnenschwer mit Gütern beladen. Die Seefahrt war schon immer auf das Engste mit kapitalen Interessen verknüpft – Entdeckung, Ausbeutung und Handel. Zugleich scheint sie als Metapher und Idee von romantischen Vorstellungen geradezu überfrachtet.
Ein Container ist ein Behältnis, in welchem unterschiedlichste Dinge verstaut oder zusammengebracht werden können. In der Seefahrt finden Container in genormten Größen Verwendung. Etwa seit Mitte der 1960er-Jahre haben sie sich im internationalen Handel durchgesetzt und erleichtern so den Transport sämtlicher Güter – sie sind damit so etwas wie die Kerneinheit der globalisierten Welt. In stetem Fluss wandern sie von Küste zu Küste, von Kontinent zu Kontinent, und tauschhandeln dabei rhythmisiert ihre Inhalte.
Neben Öltankern zählen Containerschiffe zu den größten von Menschen gebauten bewegbaren Entitäten. Auf ihnen wandern hochgestapelt – bunten Bauklötzen gleich – die Seecontainer, die selbst nur geometrische Hülle sind, Raum-spender für das spekulative Treiben einiger weniger Reedereien.
So ziehen sie dahin, es sei denn, es ereignen sich Great General Averages.
Der "general average", oder zu Deutsch die Große Haverei beziehungsweise Havarie grosse, ist ein Begriff aus dem Seehandelsrecht und beschreibt den Fall, in welchem ein/e KapitänIn sich dazu entschließt, dem Schiff oder der Ladung vorsätzlich Schaden zuzufügen, um Schiff, Mannschaft und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu retten.
Es wird auf einmal Nacht, die Winde heulen laut,
Und Himmel, Meer und Grund wird wie vermengt geschaut.
Das Schiff fliegt Sternen zu, stürzt wieder tief herab,
Läuft unter Wellen fort, sieht um sich nichts als Grab,
Hier blitzt, dort donnert es, der ganze Äther stürmt,
Die Fluten sind auf Flut, und Wolk auf Wolk getürmt,
Das Schiff zerscheitert itzt, und mir … ist nichts geschehn,
Weil ich dem Sturme nur vom Ufer zugesehn.
Johann Joachim Ewald, 1755
Text: Konstantin Lannert
Judith Adelmann (geb. 1985 in Köln) studierte Kunstpädagogik, Kunstgeschichte und Literaturwisschenschaft sowie bildende Kunst in München und Brüssel. In ihren Keramikskulpturen und raumgreifenden Installationen verbindet sie formale Überlegungen mit Diskursen um Raum, soziale Strukturen sowie philosophischen Betrachtungen zu Zeit und Leerstelle. Keramik wird als tradierte Kulturtechnik zur Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Technologien und Fragestellungen genutzt und auf ihre Aktualität hin geprüft. Indem die Künstlerin Keramik mit bekannten Materialien aus Alltag und Bau sowie modifizierten Objekten kombiniert, entstehen Konstellationen und Beziehungen, die keine Konsistenz, Klarheit oder narrative Kontinuität verlangen aber nach einer inneren Logik streben.
"Rocky Fountains" greift das Element Wasser in skulpturaler Form auf und lässt es den Ausstellungsraum besiedeln: „Water as body; water as communicator between bodies; water as facilitating bodies into being. Entity, medium, transformative and gestational milieu. All of this enfolding in, seeping from, sustaining and saturating, our bodies of water. We ebb and flow across time and space—body, to body, to body, to body.“ (Astrida Neimanis)
Judith Neunhäuserer (geb. 1990 in Bruneck, Italien) studierte Freie Kunst in München und Istanbul sowie Religionswissenschaft und Philosophie in München. Als Artist in Residence am Hanse-Wissenschaftskolleg Delmenhorst reiste sie 2017 zur Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Antarktis. Dort beobachtete sie naturwissenschaftliche Arbeitsprozesse und extrahierte daraus eine Reihe an Ritualen und Kultobjekten, die in einen multimedialen Werkkomplex mündeten. So wurde unter anderem ihr Expeditionsbericht "Albedo" im Hammann von Mier Verlag publiziert. Den vergangenen Sommer verbrachte sie im Rahmen einer Residenz an der Cité Internationale des Arts in Paris.
Mathias R. Zausinger (geb. 1989 in München) studierte Philosophie und Bildende Kunst in Berlin und München. Er arbeitet multimedial, wobei oft Text und Stimme der Ausgangspunkt sind. Er realisierte mehrere experimentelle Dokumentarfilme, die mit der Verschränkung dokumentarischer und fiktionaler Bilder die metaphorische Kraft zeitgeschichtlicher Narrative offenlegen. Seine wissenschaftliche Arbeit kreist, ausgehend von einer Untersuchung der ästhetischen Machtdispositive der jesuitischen Mission im Südamerika des 17. Jahrhunderts, um das paradigmatische Verhältnis von Kunst und Wahrheit im ästhetischen Diskurs des Barock.
Die Video- und Soundinstallation "vessels and widgets (part I)" ist ein Gemeinschaftsprojekt von Judith Neunhäuserer und Mathias R. Zausinger. Für den aktuell entstehenden Zyklus rund um eine Atlantiküberquerung von Genua nach New York im Herbst 2018, der die Ästhetik der Effizienz, die merkantile Mystik moderner Seefahrt und das Meer als ortlosen Raum und Metapher für die Kontingenz des menschlichen Daseins zum Thema hat, erhielten die KünstlerInnen das Stipendium Bildende Kunst 2019 der Stadt München.