Henri Michaux (1899 Namur, Belgien – 1984 Paris) ist ein Verweigerer. Er malt, um sich zu dekonditionieren, sich zu verirren, immer auf der Suche nach dem Umweg. Auf der Suche nach Momenten, die Zeichen hervorbringen, reist Michaux zu entlegenen Kulturen. Seine frühen Erfahrungen in Lateinamerika, Indien und China bringen eine lebensweltliche Erfahrung mit, die ihn, wie wenig anderes, Gegensätzliches zusammenbringen ließ. So verschmilzt das dialektische und spirituelle Denken in der bewussten Amnesie, die seine Art und Weise, Kunst zu betrachten, bedingt.
Das Machen und das automatisierte Malen ist verknüpft mit einer Spurensuche, einer zutiefst menschlichen Vorstellung vom Leben und dessen vielfältigem Wirken durch neue Perspektiven, die immer wieder von Grund auf geschaffen werden müssen. Seine Erfahrungen mit halluzinogenen Substanzen und seine Kritik an konventionellen Vorstellungen, künstlerisch mit Raum umzugehen, haben ihn Zeit seines Lebens begleitet. In den Arbeiten von Michaux ist kaum Gemaltes, immer wieder Zufälliges, und doch erscheint jede hinterlassene Spur als fruchtbarer Boden für alles von ihm Verursachte.
Das Werk Michaux’ wurde und wird in zahlreichen Publikationen seit den 1950er-Jahren rezipiert, geehrt und diskutiert. Es ist ein abgeschlossenes und erschlossenes Werk, das sich nicht verweigert, neu befragt zu werden. Rainer Michael Mason ist ein Mitwisser, einer, der es geschafft hat, Michaux nicht abzubilden, sondern jene mimetischen Spuren Michaux aufzugreifen und zu vervielfältigen. Es ist ein Glück, dass der deutsch-französisch sprachige Kunsthistoriker einen Textbeitrag für den zur Ausstellung erschienen Katalog geschrieben hat.
Die Galerie Fred Jahn eröffnete ihre erste Michaux-Ausstellung 1985, kurz nach dessen Tod 1984. Ein Höhepunkt in der Sichtbarkeit des umfangreichen bildnerischen Werks Michaux’ in Deutschland war die Ausstellung von Wieland Schmied, die 1993 in der Bayrischen Akademie der Schönen Künste in München eröffnet wurde und zu der ein umfassender Katalog im Verlag Fred Jahn erschien. Nach längerer Pause war die Ausstellung, die Dieter Schwarz 2014 im Museum Winterthur ausgerichtet hat, ein erneuter Impuls für eine Wiederaufnahme der Galerie mit diesem großartigen Werk. Der Vermittlung Rainer Michael Masons ist es zu verdanken, dass nun wieder eine Zusammenarbeit mit dem Michaux-Nachlass, der von Franck Leibovici vertreten wird, möglich geworden ist.
Michaux war ein Grenzgänger; er war widerständig und widerwillig, ein Individualist, einer, der Komplexität vervielfältigt hat und Bequemlichkeiten ablehnte. Michaux ist kein Künstler, dem ein Spätwerk zuzuschreiben wäre. Lineares Arbeiten und Werkgruppen waren Kategorien, die ihm fern lagen, und so ist es in der aktuellen Ausstellung besonders interessant zu sehen, wie frei die Arbeiten untereinander und doch zueinander stehen. Sie sind ein endloser Verweis auf Themen, Ideen, Ansätze aus seinem bildnerischen Werk, das sich von 1937 bis 1984 erstreckt.