Opening: Donnerstag, 26. Januar 2023, 18–21 Uhr
Die Galerie Jahn und Jahn präsentiert in der aktuellen Ausstellung nie zuvor gezeigte Kleinskulpturen des Künstlers Heinz Butz (1925–2022). Ergänzt wird die Präsentation um zwei Serien auf Papier, die der Künstler 1995 mit Buntstift und 2009 mit Bleistift ausführte. In der ersten Ausstellung nach seinem Tod im vergangenen Jahr, stehen nun erstmals die Kleinskulpturen im Mittelpunkt. Verteilt auf einem großen Podest im Zentrum des Raumes, sind über sechzig seiner zwischen 1960 und 1992 von ihm angefertigten Werke zu sehen. Jahn und Jahn setzt mit dieser Ausstellung die langjährige Zusammenarbeit mit dem Künstler, die 1984 in der Galerie Fred Jahn in München begann, posthum fort. Nach einer Präsentation in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus 2015 und zwei Ausstellungen bei Jahn und Jahn in den Jahren 2019 und 2022, ist nun in München ein bisher unbekannter Werkkomplex von Heinz Butz zu entdecken.
Für seine Kleinskulpturen verwendete Heinz Butz oftmals alltägliche Fundstücke, wie zum Beispiel Holzreste, Drahtstücke, Kunststoffteile, Flaschen, Glühbirnen, Papierschnipsel, Blechstücke, Weinkorken und diverse Schnüre. Diese Fundstücke besitzen, vom Künstler neu kombiniert, als Kunstwerke eine eigene ästhetische Qualität und rufen bei einem Betrachter neue Objektassoziationen hervor. Aus alltäglichen Dingen werden belebte Wesen, kleine Raketen, kindliche Maschinen, Gegenstände zum Träumen. Heinz Butz gab seinen Kleinskulpturen zwar keine Titel, er signierte aber jedes Werk und bewahrte sie in seinem Münchner Atelier in der Nähe seiner Skizzenbücher auf. Über viele Jahre hatten sie dort ihre zugeordneten Plätze und fügten sich eher unauffällig in das dortige kreative Arbeitsumfeld ein. Dem Künstler alltäglich vertraut und bis zuletzt bedeutsam, sind die Kleinskulpturen der breiten Öffentlichkeit als Teil seines künstlerischen Œuvres bisher unbekannt. Die Werke erzielen ihre Wirkung mit wenigen gestalterischen Mitteln. Keine hinzugefügte Farbe oder Aufmerksamkeit erhaschende Titel lenken vom Wesentlichen ab. Einige der behandelten Themen sind in unterschiedlichen Materialien und Ausführungen realisiert. Heinz Butz entwickelte die frühesten Kleinskulpturen 1960 kurz nach der Geburt seiner Tochter aus gefundenen Holzstücken. Diese wirken in ihrer Erscheinung zum einen wie gedrechselt und zum anderen wie für kleine Kinderhände gemacht. Mehrere seiner Kleinskulpturen streben, von einem Sockel ausgehend, zudem vertikal nach oben. Eine Anzahl filigraner Drahtskulpturen lässt bei genauerer Betrachtung eine Butzsche Eigenheit erkennen: seine mit Draht gestalteten Linien verfügen immer über eine Sockel-ähnliche Konstruktion aus Draht, Glas oder Holz, die ihnen eine erkennbare Bodenhaftung verleiht.
Heinz Butz schuf seine Kleinskulpturen über viele Jahre parallel zu seinen Zeichnungen, Bildern und Bildobjekten. Nach seinem Studium der Malerei, Zeichnung und Schriftkunst in Augsburg und an der Akademie der Bildenden Kunst in München, arbeitete er seit den 1950er Jahren mehrheitlich abstrakt. Von 1967 bis 1991 lehrte er an der Akademie der Bildenden Kunst in München. In diese Zeit fällt auch eine wichtige Entwicklung innerhalb seines Schaffens. Gegen Ende der 1960er Jahre löste er sich in seiner künstlerischen Arbeit von der Tradition des rechteckigen Tafelbildes. Er nennt seine neuartigen Werke fortan Bildobjekte. In diesen wie auch in seinen nun erstmals gezeigten Kleinskulpturen, blieb er sich und seinem ruhigen Wesen treu. Alle Werke führte er in kleinen und mittleren Formaten aus. Seine zuvor genannten Bildobjekte sind vergleichbar mit den zeitgleich von den amerikanischen Künstlern Ellsworth Kelly (1923–2015) und Frank Stella (*1936) entwickelten shaped canvases, deren monumentale Umsetzungen Heinz Butz in Europa aber erst später kennenlernte. Butz Werke treten im Gegensatz zu diesen viel intimer auf. Er arbeitete leise, kontinuierlich und kontemplativ an einem eigenen System grafischer Zeichen und reduzierter Formen und schuf so ein vielfältiges künstlerisches Œuvre. Zeichnen diente ihm auch der Selbstvergewisserung, in seinen Skizzenbüchern schulte er täglich die visuelle Wahrnehmung und sein entwickeltes Formvokabular. Punkt, Linie, Form, Fläche und Rahmen, manchmal ergänzt um rhythmische Schraffierungen, sind wiederkehrende Elemente in seinen Zeichnungen und Malereien.
Bei genauerer Betrachtung lassen sich nun auch in seinen gelegentlich angefertigten Kleinskulpturen einige wiederkehrende Gestaltungselemente ausmachen. In einer Werkgruppe verlötete Heinz Butz zum Beispiel Drahtstücke zu einer voluminösen turmartigen Konstruktion, die architektonisch und anthropomorph zugleich anmutet. Die menschliche Form im Raum hat den Künstler über lange Zeit immer wieder beschäftigt. Angeregt durch seine langjährige Betreuung des Zeichenunterrichts im Akt Saal an der Akademie, setzte er sich auch in den Skulpturen wiederholt mit dem menschlichen Körper in ruhender und bewegter Pose auseinander. Er wählte Fundstücke mit sehr unterschiedlichen Materialcharakter für diese Werke. So thematisierte er den weiblichen und männlichen Körper anhand von zwei filigranen schreitenden Papierfiguren, parallel dazu entstand fast zeitgleich jedoch auch ein wuchtiger Torso aus massivem Holz. Bei Letzteren erfährt ein weiteres Detail des menschlichen Körpers mit Hilfe eines hinzugefügten Stück Schnur ebenfalls eine Akzentuierung. Spielerischer tritt schließlich eine Reihe von Werken aus den 1980er und 1990er Jahren auf, bei der Heinz Butz erkennbar massenproduzierte Konsumobjekte, wie beispielsweise eine Campari-Flasche, einige Glühbirnen oder eine Tomatendose verwendete. Auf gewitzte Art schuf Butz hier entrückt wirkende figurenhafte Gestalten, die den Kommerz, aus dem sie einst hervorgingen fast vergessen lassen. Einen Sonderfall innerhalb der Werkgruppe der Kleinskulpturen bilden zuletzt die kleinen Werke in Bronzeguss, die er in den 1970er Jahren während seiner Lehrtätigkeit an der Akademie der Bildenden Künste in München realisieren konnte. Sie sind aufgrund ihrer aufwendigen Herstellung außerhalb des eigenen Ateliers entstanden und überführen die vormals sehr spontane Arbeitsweise nun in eine aufwendig realisierte ‚ewige‘ Form.
Weiterführende Literatur:
Heinz Butz. Kleinskulpturen, mit Beiträgen von Peter Pinnau und Andreas Strobl, München 2022.
Heinz Butz. Malerei 1949–2018, mit Beiträgen von Fred Jahn, Gottfried Boehm und Eva Huttenlauch, München 2018.
Heinz Butz, Galerie Haas, mit einem Text von Erika Költzsch, Zürich/Berlin 2017.
Heinz Butz, 3. Bde., hg. v. Fred Jahn: Bilder 1951–1969, München 1988; Arbeiten auf Papier 1952–1990, München 1991; Bildobjekte 1964–1976, München 1994.